Ein kürzlich veröffentlichter Cochrane Review setzt sich mit der Frage auseinander, welche Aspekte Eltern und Betreuungspersonen beeinflussen, um sich für oder gegen routinemäßige Impfungen bei ihren Kindern zu entscheiden. Es sind neben individuellen Ansichten auch das soziale Netzwerk sowie der größere soziale und politische Kontext, die hier eine Rolle spielen.
Kinder gegen bestimmte Krankheiten zu impfen ist eine der effektivsten Formen, um Todesfälle und schwere Erkrankungen unter ihnen zu vermeiden. Nicht alle Kinder werden jedoch mit den empfohlenen Impfungen versorgt. Das hat unterschiedliche Gründe: Häufig liegt es schlicht an einer mangelnden Gesundheitsversorgung, der Entfernung zu einer Gesundheitseinrichtung oder weil zu wenig Geld zur Verfügung steht. Manche Eltern wiederum wollen ihre Kinder nicht impfen lassen, obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten. Welche Faktoren spielen nun für die Entscheidung von Eltern und Betreuungspersonen eine Rolle, um ein Kind impfen zu lassen oder nicht? Was fördert die Akzeptanz bzw. Ablehnung einer Impfung bei einem Kind?
Die Review-Ergebnisse
Die Review-Autor*innen fanden 145 relevante englischsprachige Studien. Diese stammten aus Lateinamerika, den USA, Süd-Ost-Asien, Europa und Ländern des Westpazifik. Die Ergebnisse von 27 der Studien wurden für den Review analysiert. Es zeigte sich ein komplexes Zusammenwirken unterschiedlicher Aspekte, die für Eltern und Betreuungspersonen von Bedeutung sind: Zum einen sind es die Ansichten über Gesundheit und Krankheit generell, die Eltern und Betreuungspersonen in ihrer Haltung zu Kinderimpfungen beeinflussen. Zum anderen sind Menschen aus dem sozialen Umfeld und deren Meinung hier relevant. Für die Haltung zu und praktische Umsetzung von Impfungen bei Kindern sind ebenso politische Vorbehalte im größeren Kontext sowie das Vertrauen/Misstrauen in jene, die mit Impfprogrammen in Verbindung stehen, wesentlich. Auch die Erfahrungen von Eltern und Betreuungspersonen mit dem medizinischen Personal vor Ort und Impfservices haben einen Einfluss auf deren Einstellung zur Kinderimpfung und die entsprechende Umsetzung.
Zwei Konzepte, warum Kinderimpfungen abgelehnt werden
Basierend auf all diesen Faktoren haben die Review-Autor*innen zwei Konzepte entwickelt, die aufzeigen, warum Impfungen bei Kindern eher abgelehnt werden. Das erste Konzept bezeichnen sie als „Neoliberale Logik“, das zweite als „Soziale Ausgrenzung“. Ersteres meint, dass viele Eltern, vor allem aus Ländern mit höherem Einkommen, Gesundheit und die Gesundheitsversorgung als individuelle Verantwortung verstehen. Impfprogramme wiederum stellen das generelle Risiko und die Gesundheit der Allgemeinheit ins Zentrum – was für manche Eltern einen Konflikt darstellt und sie dazu veranlasst, ihre Kinder nicht impfen zu lassen. Das Konzept der „Sozialen Ausgrenzung“ bezieht sich darauf, dass manche Eltern, vorrangig aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die Impfung ihrer Kinder eher ablehnen, weil sie Erfahrung mit sozialer Ausgrenzung gemacht haben. Diese Erfahrung kann den Bezug der Gesellschaft zu Regierenden negativ beeinflussen und Gefühle von Isolation auslösen. Manche Eltern und Betreuungspersonen sind auch angesichts schlechter gesundheitlicher Versorgung und mangelnden Zugangs demotiviert. Sie vertrauen Impfungen nicht und lehnen sie auch für ihre Kinder ab.
Lesen Sie den vollständigen Review
Text: Edeltraud Günthör, 24.11.2021