Effekte von Musiktherapie auf Menschen mit Autismus

mehrere übereinandergelegte Hände

In einem sozialen Kontext zu interagieren und zu kommunizieren, stellt häufig eine große Herausforderung für autistische Menschen dar. Mit ihren Methoden richtet sich die Musiktherapie unter anderem an genau diese Problematik und könnte zu Verbesserungen beitragen. Ein Update eines Cochrane Reviews lässt den Schluss zu, dass sich Musiktherapie positiv auf den Allgemeinzustand autistischer Menschen auswirken und ihre Symptome mildern kann.

Als neurologische Entwicklungsstörung wirkt sich Autismus ein Leben lang darauf aus, wie betroffene Menschen ihre Umgebung wahrnehmen, wie sie mit anderen kommunizieren und in Beziehung treten. Musiktherapie wiederum kann mit Hilfe von musikalischen Erfahrungen und den Beziehungen, die sich daraus ergeben, Menschen dabei unterstützen, mit anderen in Kontakt zu kommen, mit ihnen zu kommunizieren und Gefühle auszudrücken. Seit den frühen 1950er-Jahren wird Musiktherapie daher auch bei Autismus eingesetzt. Die Verfügbarkeit dieser Therapieform für autistische Menschen variiert jedoch je nach Land und Setting.

Die wichtigsten Ergebnisse des Cochrane Reviews

Eine Gruppe von Cochrane-Forscher*innen hat nun das zweite Update eines Cochrane Reviews aus dem Jahr 2006 zur Wirkung von Musiktherapie bei Autismus erarbeitet. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Musiktherapie im Vergleich zu Therapie ohne Musik oder Standardbetreuung den Allgemeinzustand von autistischen Menschen verbessern kann. Auch die Lebensqualität kann durch die Musiktherapie gesteigert und die Schwere der Symptome können verringert werden. Eindeutige Schlüsse auf die Effekte von Musiktherapie auf die Fähigkeit autistischer Menschen zur sozialen Interaktion und ihre verbale und nonverbale Ausdrucksfähigkeit lässt die Forschungsarbeit jedoch nicht zu. Ihr Vertrauen in die vorliegende Evidenz zu diesen Aspekten bezeichneten die Autor*innen des Cochrane Reviews als niedrig bzw. sehr niedrig. Bei den Teilnehmer*innen der Studien, die die Forscher*innen einschließen konnten, handelte es sich um Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Es ist daher unklar, ob bei älteren Menschen mit Autismus eine ähnliche Wirkung von Musiktherapie feststellbar ist. Weitere Studien zu diesem Thema mit geeigneten Designs und Ergebnismessungen sind erforderlich. Auch wie lange die Effekte von Musiktherapie bei autistischen Menschen anhalten, sollte erhoben werden.

Die Ergebnisse im Detail

Unmittelbar nach der Intervention zeigte sich, dass Musiktherapie verglichen mit einer Therapie ohne musikalische Elemente (z.B. Spieletherapie ohne Musik) oder Standardbetreuung eher positive Effekte auf die allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustands von autistischen Menschen haben kann (Risk Ratio (RR) 1,22, 95% Konfidenzintervall (KI) 1,06 bis 1,40; 8 Studien, 583 Teilnehmer*innen; moderates Vertrauen in die Evidenz). Auch die Lebensqualität konnte durch die Musiktherapie leicht gesteigert werden (Standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) 0,28, 95% KI 0,06 bis 0,49; 3 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), 340 Teilnehmer*innen; moderates Vertrauen in die Evidenz). Darüber hinaus könnte die Musiktherapie dazu führen, dass der Schweregrad der autistischen Symptome stark zurückgeht (SMD -0,83, 95% KI -1,41 bis -0,24; 9 Studien, 575 Teilnehmer*innen; moderates Vertrauen in die Evidenz).

Der Cochrane Review ergab keine eindeutige Evidenz in Hinblick auf die Unterschiede zwischen den musiktherapeutisch betreuten Gruppen und den Vergleichsgruppen was soziale Interaktionen betraf (SMD 0,26, 95% KI -0,05 bis 0,57, 12 Studien, 603 Teilnehmer*innen; niedriges Vertrauen in die Evidenz) sowie nonverbale Kommunikation (SMD 0,26, 95% KI -0,03 bis 0,55; 7 RCTs, 192 Teilnehmer*innen; niedriges Vertrauen in die Evidenz) und verbale Kommunikation (SMD 0,30, 95% KI -0,18 bis 0,78; 8 Studien 276 Teilnehmer*innen; sehr niedriges Vertrauen in die Evidenz). Zwei Studien erhoben auch unerwünschte Ereignisse, wobei eine Studie (36 Teilnehmer*innen) keine unerwünschten Ereignisse berichtete und die andere Studie keine Unterschiede im Vergleich zwischen Musiktherapie und Standardversorgung feststellen konnte (RR 1,52, 95% KI 0,39 bis 5,94; 1 Studie, 290 Teilnehmer*innen; moderates Vertrauen in die Evidenz).

Charakteristika des Cochrane Reviews

Die Autor*innen konnten 16 neue Studien in das Update einschließen. Insgesamt beruht die Evidenz des Cochrane Reviews nun auf 26 Studien mit 1165 Teilnehmer*innen. Alle Studien untersuchten die kurz- und mittelfristigen Effekte von Musiktherapie auf Menschen mit Autismus. Die Interventionen dauerten zwischen drei Tage und acht Monate und erfolgten im Einzel- oder im Gruppensetting. Mehr als die Hälfte der Untersuchungen wurden in den USA und Asien durchgeführt. Die Teilnehmer*innen von 21 Studien waren Kinder im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren. An fünf Studien nahmen Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene teil. Die Evidenz ist aktuell bis August 2021.

Zum Review

Text: Isolde Sommer & Edeltraud Günthör