Ivermectin, ein Medikament gegen Parasiten bei Menschen und Tieren, wird auch als Therapieoption gegen COVID-19 propagiert. Ein neuer Cochrane Review findet jedoch keine überzeugenden Studiendaten, die dies stützen. Die Evidenzlage ist aber noch unsicher. Aktuell laufende Studien werden hoffentlich bald für Klarheit sorgen.
In der COVID-19-Pandemie gehört Ivermectin zu vielen bereits für andere Zwecke zugelassenen Wirkstoffen, die auf eine mögliche Wirksamkeit gegen das SARS-CoV-2-Virus hin untersucht wurden. Tatsächlich zeigte eine Laborstudie vom April 2020, dass Ivermectin in Zellkulturen die Vermehrung des für COVID-19 verantwortlichen Virus SARS-CoV-2 hemmen kann. Allerdings lag die eingesetzte Dosis weit über jener, die für Menschen zugelassen ist. Trotzdem führte diese Studie zusammen mit Ergebnissen erster kleiner Studien, die günstig erscheinen, dazu, dass sich verschiedene Lobbygruppen für den Einsatz von Ivermectin in der Behandlung von COVID-19 einsetzten. Insbesondere in Südamerika begannen viele Menschen ohne Evidenzbasis auf eigene Initiative mit der Einnahme von Ivermectin. Mittlerweile gibt es einige abgeschlossene klinische Studien zu Ivermectin. Die Evidenz aus diesen Studien zu sammeln, zu bewerten und zusammenzufassen, war das Ziel des nun vorliegenden Cochrane Reviews.
Dünne Evidenz, unklarer Nutzen
Die Ergebnisse sind ernüchternd: Verglichen mit Placebo oder einer Standardbehandlung zeigte Ivermectin weder bezüglich des Sterberisikos noch des klinischen Zustands von COVID-19-Patient*innen einen Vorteil. Auch zu einer vorbeugenden Wirkung von Ivermectin nach einem möglichen Kontakt mit dem Virus, lassen sich keine Aussagen machen. Die Vertrauenswürdigkeit der vorhandenen Evidenz ist niedrig bis sehr niedrig. Die Hauptautorinnen der Studie, Maria Popp und Stephanie Weibel von der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Würzburg, kommentieren: "Grund für den Mangel an hochwertiger Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin ist ein Studienpool, der hauptsächlich aus kleinen, unzureichend gepowerten RCTs mit Mängeln in Bezug auf Studiendesign, Durchführung und Berichterstattung besteht. Die derzeitige Evidenz ist dünn und kann nicht klären, ob Ivermectin zur Behandlung oder Vorbeugung von COVID-19 einen Nutzen bringt. Eine sicherere Einschätzung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Ivermectin gegen COVID-19 wird erst möglich sein, wenn derzeit noch laufende größere Studien abgeschlossen sind. Sobald dies der Fall ist, werden wir unseren Review aktualisieren."
14 Studien, 1678 Teilnehmende
Die Autor*innen konnten 14 Studien, die den vorher festgelegten Kriterien entsprachen, in den Review einschließen (insgesamt 1678 Teilnehmende; Stand der Studiensuche: 26. Mai 2021). Im Vorfeld suchten sie systematisch nach randomisierten kontrollierten Studien, welche u.a. den Einfluss einer Ivermectin-Behandlung auf die Sterblichkeit und Schwere der Erkrankung, die Länge des Krankenhausaufenthaltes, oder eine eventuelle vorbeugende Wirkung von Ivermectin untersuchen. Zudem werteten sie Studiendaten zu unerwünschten Nebenwirkungen aus. Die so identifizierten Studien wurden nach Cochrane-Methodik auf mögliche Verzerrungsrisiken (Risk of Bias) und die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse hin bewertet. Studien mit hohem Verzerrungspotential gingen nicht in die Auswertung ein. Zu den von vornherein ausgeschlossenen Studien gehörte auch eine stark für eine Wirksamkeit von Ivermectin sprechende Arbeit, die Mitte Juli wegen Fälschungsverdachts zurückgezogen wurde.
Zum Review „Ivermectin for preventing and treating COVID‐19“
Zum Beitrag mit weiteren Hintergundinformationen auf unserem Blog Wissen Was Wirkt
Medizin Transparent widmete sich in der Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus ebenfalls bereits dem Einsatz von Ivermectin gegen COVID-19.
Text: Original von Cochrane Deutschland, adaptiert von Edeltraud Günthör, 28.07.2021