Misoprostrol: Niedrig dosiert, um Geburten einzuleiten

Ein neuer Cochrane Review vergleicht die orale Einnahme von niedrig dosiertem Misoprostrol zur Einleitung von Geburten mit den gängigsten Alternativen. Das Ergebnis: Niedrig dosiertes Misoprostrol hat vermutlich das günstigste Verhältnis von Wirksamkeit und Risiken. Das ist wichtig, vor allem in Hinblick auf die Diskussion um die Sicherheit von Misoprostrol.

„Die beste verfügbare Evidenz spricht dafür, dass niedrig dosiertes, oral eingenommenes Misoprostol viele Vorteile gegenüber anderen Methoden der Geburtseinleitung hat“ schließen die Autorinnen und Autoren des Cochrane Reviews. Misoprostol zeigt auch bessere Resultate als vaginal verabreichtes Dinoproston, das oft als Goldstandard der Geburtseinleitung gehandelt wird. Besonders in niedrigen Dosierungen bis 25 Mikrogramm führt Misoprostol wahrscheinlich zu weniger Kaiserschnitten und möglicherweise (unsichere Evidenz) zu weniger Überstimulation als Dinoproston. Die Wehen werden dabei ähnlich gut ausgelöst.

61 Studien, mehr als 20.000 Teilnehmerinnen

Der aktuelle Cochrane Review führt die Evidenz zum Einsatz von oral verabreichtem Misoprostol in niedriger Dosierung (maximal 50 Mikrogramm) zusammen. Das Autorenteam konnten 61 Studien mit mehr als 20.000 Teilnehmerinnen heranziehen. Eine Reihe an Vergleichen war darin enthalten, z.B. orales Misoprostol im Vergleich zu Placebo, vaginalem Dinoproston, intravenösem Oxitocin oder vaginalem Misoprostol. Das Autorenteam des Reviews wollten vorrangig wissen, wie sich die Methode der Einleitung auf den Anteil der natürlichen vaginalen Geburten innerhalb von 24 Stunden, die Rate von Kaiserschnitten und die Zahl an Überstimulationen mit erniedrigter Pulsrate des Babys auswirkt. Die Vertrauenswürdigkeit der Studienergebnisse schätzten die Autorinnen und Autoren nach dem GRADE-System je nach Vergleich als moderat oder niedrig, zum Teil auch als sehr niedrig ein.

25 Mikrogramm anfänglich

Die Frage nach der optimalen Dosierung von oral verabreichtem Misoprostol konnte durch die vorliegende Evidenz noch nicht befriedigend geklärt werden. Einzeldosen von mehr als 50 Mikrogramm sind nach Ansicht der Autorinnen und Autoren zu riskant. Sie wurden daher in diesem Review nicht berücksichtigt. Das Autorenteam kommt zu dem Schluss, dass eine anfängliche Dosis in der Größenordnung von 25 Mikrogramm vermutlich eine gute Balance zwischen Wirksamkeit und Sicherheit bietet. Hier besteht allerdings noch Forschungsbedarf.

Diskussion um den Einsatz von Cytotec (Cyprostrol)

Anfang 2020 lösten Medienberichte in Deutschland eine Debatte darüber aus, ob das Medikament Cytotec (österreichischer Handelsname: Cyprostrol) mit dem darin enthaltenen Misoprostol sicher ist. Die in den Medien vermutete Häufung von Überstimulierungen hat jedoch vermutlich eher mit einer Überdosierung zu tun, weniger mit dem Risikoprofil von niedrig dosiertem Misoprostol an sich. Cytotec kommt in der Praxis häufig zum Einsatz, ist aber eigentlich für die Behandlung von Magengeschwüren zugelassen. Dieser Off Label Use ist nichts Ungewöhnliches, doch eine Tablette Cytotec enthält 200 Mikrogramm Misoprostol. Das ist das Achtfache der von den Review-Autoren empfohlenen Einzeldosis, was die korrekte Dosierung erschwert. Das hat möglicherweise zu Fällen von Überdosierung und gefährlichen Überstimulierungen geführt. 

 

Der neue Review: Low‐dose oral misoprostol for induction of labour

Kerr  RS, Kumar  N, Williams  MJ, Cuthbert  A, Aflaifel  N, Haas  DM, Weeks  AD. Low‐dose oral misoprostol for induction of labour. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 6. Art. No.: CD014484. DOI: 10.1002/14651858.CD014484.

Text: Original von Cochrane Deutschland, adaptiert von Edeltraud Günthör, 14.07.2021